Friday, January 14, 2011

Besuch aus Kabul

Letzte Woche hatte ich in Berlin Besuch aus Kabul: Waheedullah, Mitarbeiter bei PAIWASTOON, Reisebegleiter bei meinem Trip nach Bamian und Band e Amia und guter Freund, absolviert zur Zeit ein PhD-Programm, bei dem er einige Einheiten in Berlin zu bestreiten hat. Eine schöne Gelegenheit, mich für seine Gastfreundschaft in Afghanistan zu revangieren. Mit einer Berlinführung, einem Besuch im Checkpoint-Charlie Museum und einem "typisch deutsches" Essen.
Besonders spannend waren unseren Diskussionen über sein Bild vom Westen. 

"Zuhause erzählen sie uns, dass die Gesellschaften in den USA und Europa eigennützig und selbstsüchtig sind - so erlebe ich die Mensche hier aber gar nicht. Die meisten, auch Fremde auf der Strasse, begenen mir freundlich!"

Gewöhnungsbedürftig für ihn sind natürlich der offene Konsum von Alkohol (z.B. bereits mittags in der U-Bahn) sowie die freizügige Werbung überall um uns herum.

Saturday, December 12, 2009

Egopreneurship

Im Januar diesen Jahres habe ich mit 5 Freunden ein Projekt gegründet, das wir "Egopreneurship" getauft haben. Grob gesagt geht es um ein selbstbestimmtes Leben durch (unternehmerische) Selbstständigkeit. Erster Baustein sind Seminare, in denen die Teilnehmer auf die Suche nach ihrem Herzensprojekt gehen, über eigene Werte reflektieren und den Mut aufbringen, sich zu einer Idee und deren Umsetzung zu bekennen. Ein Egopreneur verwirklicht sich in Projekten und wächst dabei persönlich.
14.-15. November war es nun soweit, und das erste Seminar fand statt. Es wurden tolle Ideen erdacht oder weiterentwickelt, wie z.B. eine sich selbstfinanzierende Weltreise, ein alternativer Kindergarten, ein Ideenbahnhof, eine Schulberatung oder eine etwas andere Fast Food Kette.
Für mich persönlich ist bei dem Egopreneurship-Projekt meine Gründererfahrung aus Kabul ein großer Antreiber und eine tolle Inspiration. Zur Krönung war dann auch noch Thorsten (mein Afghanistan-Auftraggeber und damaliger Chef) einer unserer Special Guests, der unseren Teilnehmern aus seinen Erfahrungen in Sachen Selbstständigkeit und Gründung (er hat neben Afghanistan unter anderem Projekte im Kosovo, Irak im Auge und in Bulgarien am laufen) berichten konnte.

Mehr zu Egopreneurship: www.egopreneurship.de oder auf Facebook www.facebook.de/egopreneurship


Thorsten und ich beim "Interview"

Teilnehmer in der Diskussion

Wednesday, July 29, 2009

Was macht eigendlich...

Neues von meinem ehemaligen Mitarbeiter Jawan Shir, der inzwischen in den USA studiert. In einem Radiointerview berichtet er über seine Jugend im Kriegsgebiet Afghanistan.

Auch von Wahedullah und Khalid (ebenfalls Mitarbeiter der ersten Stunde) gibt es neues.
Wahedullah hat vor für ein Aufbaustudium nach Deutschland zu kommen und hat mich darum gebeten, mich als Referenz angeben zu dürfen. Ist mir natürlich eine Ehre.
Khalid hat vor, ein Fullbright Stipendium in den USA zu ergattern. Für ihn habe ich ein "Recomondation-Letter" verfasst, das ich auf der Fullbright-Seite einstellen musste. Noch mehr Ehre! Hoffentlich konnte ich etwas zum Erfolg ihrer Vorhaben beitragen.

Monday, June 29, 2009

One Laptop per Child


Meiner Firma PAIWASTOON geht es nach wie vor gut.
Besonders Stolz kann das Startup darauf sein, dass es Mitorganisator des "One Laptop per Child" Programms in Afghanistan ist. PAIWASTOON übernimmt die lokalisierung (also Übersetzung) der Software auf Dari und Pashto. Ausserdem werden PAIWASTOON Mitarbeiter Seminare für afghanische Schüler anbieten.
Find ich cool... bin ich auch stolz drauf!

Friday, July 27, 2007

Motivation aus dem Hindukusch

Hier ein Beitrag, den ich für den Imagine-Blog geschrieben habe und der von einem meiner Mitarbeiter aus Kabul motiviert wurde.

Tuesday, March 27, 2007

Presseecho

Wieder zurück in Deutschland gab es ein durchaus grosses Interesse an meinen Erlebnissen Afghanistan.
Neben Vorträgen an den Unis in Braunschweig und Wernigerode, sowie bei der Sietar Ortsgruppe in Köln, gab es auch einige Zeitungsartikel über meine Geschichte.
Die Braunschweiger Zeitung hat einen Bericht veröffentlicht Hier die Onlineversion und hier die Papierversion:


Das Braunschweiger Stadtmagazin Subway hat unter dem leider sehr reisserischen Titel "Praktikum in Todesangst" über mich berichtet.




Das Seesener (meine Heimatstadt) Stadtmagazin "Boulevard Seesen" hat ebenfalls einen Bericht veröffentlicht. Hier bin ich sogar Coverboy ;-)


Last but not Least, hier ein Portrait von AIESEC in Afghanistan zu meiner Person.

Nachtrag:
Ausserdem war ich 2007 Gast der IHK Braunschweig bei deren Podiumsdiskussion auf dem Braunschweiger Sofa zu Thema Globalisierung.

Friday, December 29, 2006

Der Laden läuft

PAIWASTOON entwickelt sich langsam weiter. Mein Nachfolger Mike hat hat einiges im technischen Bereich bewegt. Wir haben ein Content Managemet System in Landessprache und einige nette afghan-konforme Services, wie z.B. eine Möglichkeit, Netzinhalte lokal zu komprimieren und so auch im bandbreitenschwachen Afghanistan schnell verfügbar zu machen. Ich bin jetzt endlich auch in Sachen Betriebssystem auf Open Source umgestiegen: Linux Ubuntu!
Von Deutschland aus kümmere ich mich auch weiterhin um den Personalbereich unseres aufsterbenden Unternehmens. Das Web machts möglich, auch auf die Distanz den menschlichen Kontakt zu halten.
Leider kam Mike mit Basit, dem kreativen aber chaotischen und rebellischen Freigeist im Team nicht so gut klar, so dass wir uns von ihm (Basit) trennen mussten. Ein Dank von mir an Basit, für all seine guten Ideen und seine Loyalität mit der er mir bei Vertragsverhandlungen beistand und mir auch mal unangenemeres - daher aber auch hilfreiches Feedback zu geben wagte.

Tuesday, September 12, 2006

Drogen

Das viele mächtige Männer in Afghanistan ihre Finger im Drogengeschäft haben, ist ein offenes Geheimnis. Auch einigen Gastgeber, die mich in Kabul bewirtet haben, haftet dieser Ruf an, was bei mir auch zu Gewissenskonflikten geführt hat. Sollte ich diese Menschen als Kunden behandeln - oder sie einfach meiden? Im Vorfeld meines Aufenthalts von Deutschland aus wäre diese Frage sicher leicht zu beantworten gewesen. Vor Ort zeichnete sich aber ein ganz anderes, graueres Bild.
Im Endeffekt weiß ich nicht, wer von den reicheren Afghanen mit denen ich verkehrte wirklich Dreck am Stecken hatte. Aus dem Stern erfuhr ich allerdings, dass ich einmal wirklich ganz Dicht an den Drogenbaronen dran war.
In meinem Post aus dem April 06 "Back/Big in Kabul" berichte ich von einer Fahrt mit einer Stretchlimo durch Kabul. Hier die Kiste mit unserem Chauffeur vor dem Interconti Hotel:


Was muss ich dann letzte Woche im Stern lesen?

Sunday, August 27, 2006

Daheim

Woww! Ist das leise hier auf den Staßen! So wenig Menschen sind unterwegs und keiner schaut Dich an. Gar kein Stress, beim durch die Stadt schlendern.
Und vor allem ist hier alles so grüüüüün.
Schon krass, mit welcher Kraft diese Unterschiede wirken.
Alles in allem bin ich froh wieder in Deutschland zu sein - es fehlt aber auch irgendwas. Die Aufgabe und einiges von dem drum herum. Dafür muss ich wohl erst noch Worte finden.

Auf dem Bild sieht man mich im Garten meiner Eltern in meinem maßgeschneiderten afghanischen Anzug und mit einer englisch/persischsprachigen Koranausgabe - beides Geschenke meiner Mitarbeiter. Das satte Grün zeigt, dass ich mich nicht mehr in Kabul befinde. Die längeren Haare auf dem Kopf und vor allem am Kinn habe ich auch mitgebracht - dafür habe ich rund 10 Kilo Körpergewicht dagelassen.

Saturday, August 05, 2006

Reiseroute

"Mein Afghanistan", das ich mir auf diversen Reisen durchs Land erschlossen habe.
Jawans Garten
Kunduz & Salang Pass
Bamian & Ban-e-amir
Mirwais Gestüt
Sultans Landhaus

Sunday, July 30, 2006

Rückflug

30.07.2006

Nach fast fünf Monaten am Hindukusch geht es zurück nach Deutschland.
Laut meinen Flugpapieren besteht die komfortable Verbindung Kabul-Frankfurt via Ariana-Air noch. Doch am Flughafen werde ich eines besseren belehrt. An diesem Nachmittag verlassen drei Pasagiermaschienen Kabul, alle Passagiere sitzen gemeinsam in der heissen Wartehalle und harren ihres Aufrufs. Doch einen solchen in dem Sinne gibt es gar nicht. Die Flughafenbetreiber setzen voll auf den in Afghanistan üblichen indirekten Informationsfluß. Irgendjemand weiß, dass da gleich ein Flug irgendwohin abfliegen wird und in der allgemeinen Hektik wird unter den Passagieren geklärt, wo der wohl hingeht. Ich treffe eine andere Deutsche, die auch nach Frankfurt fliegen will. In unserer Unterhaltung erwähnt sie, sie hoffe die Fluggesellschaft bezahlt uns noch ein Hotel!!!??? - Ich wundere mich, frage aber nicht weiter nach. Als wir schließlich erfahren, dass da draussen wohl gleich ein Flugzeug in unsere Richtung starten wird, machen wir uns auf den Weg. Da ich echt ein wenig Angst vor dem Fliegen habe, bin ich genauestens über die Flugzeuge und Wartungsrichtlinien der Ariana-Air informiert. Aber Moment! Das Flugzeug, welches wir da gleich besteigen werden besitzt doch gar keine Erlaubnis nach Europa zu fliegen - viel zu alt und "unsicher"!
"Ach das wusstest Du gar nicht?", fragt mich meine neue Bekanntschaft. "Wir fliegen mit dem Ding doch nur bis Dubai, übernachten dort und dann geht es irgendwie weiter." - Na toll!

Wir schaffen es aber tatsächlich bis nach Dubai. Als die Anschnallzeichen in der Maschine aufleuchten, springen alle afghanischen Mitreisenden schon mal auf und holen ihr Gepäck aus der Ablage. Als die Maschine ausrollt, stehen sie schon in der Schlange vor der Ausstiegsluke. Wir Europäer schnallen uns ab.
Nachdem wir alle ausgestiegen sind, müssen wir erstmal in Erfahrung bringen, wie es jetzt weitergeht - Ariana Air hat diesmal nicht nur mich im dunkeln gelassen.
Wir Europäer stellen uns an einem wohl dafür vorgesehen Infoschalter an, der auch für den Transit Check In auf dem Flughafen vorgesehen ist. Die Afghanen bedrängen einen zufällig anwesenden Sicherheitsbeamten im Scheichoutfit.
Als der Schalter endlich öffnet, lassen die Afghanen von dem Sicherheitsbeamten ab und stellen sich pulkförmig VORNE, vor dem Schalter an. Den ersten 10 gelingt der Check In, bis andere Sicherheitsbeamten für Ordnung sorgen und die Reienefolge wieder herstellen. Trotzdem schafft es noch gut die Hälfte der verbliebenen rund 40 Afghanen vor mir durch den Check In zu "diffundieren". Ich bin zu gleichen Teilen amüsiert und sauer!
Beim Check In lerne ich Ahmad kennen. Er ist Afghane, allerdings im alter von 5 Jahren nach Deutschland in eine Pflegefamilie gekommen. Er wurde damals nach Deutschland gebracht, da er sich bei einem Autounfall den Arm schwer verletz hat (er hat Bustickets für das Unternehmen seines Vaters kontolliert und ist vom Dach des fahrenden Busses gestürzt).
Der Arm ist immernoch verkümmert, die deutschen Ärtzte haben ihm aber damals nach seiner Aussage das Leben gerettet. Ahmad kommt gerade von seinem ersten (!!!) Besuch bei seiner Familie seit diesem Unfall zurück - er ist heute 21 Jahre alt.
Seine Berichte von der Heimkehr sind sehr emotional. Am meisten bewegt mich, dass er festgestellt hat, das seine Schwester wahrscheinlich unter Brustkrebs leidet, sich aber nicht von einem männlichen Artzt berühren lassen will. Er hat sie über Wochen bearbeitet und es schließlich geschafft, sie zu einem "Artzt" zu schleifen. Der hat ihr dann soetwas wie Aspirin verschrieben, da er nicht wusste mit was eres zu tun hatte. Ahmad hat darufhin beschlossen, sein schmales Azubigehalt in Deutschland zur Rettung seiner Schwester zu verwenden. Eine sehr bewegende Geschichte!
Unsere Unterhaltung dauert bis tief in die Nacht. Schließlich schaffen wir es doch, ein wenig zu schlafen - glückleicherweise ist der Flughafen Dubai eine echte Luxusherberge mit dicken weichen Teppich und Klimaanlage.
Am nächsten Tag geht es weiter mit Singapore-Airlines - was für ein Unterschied zu Ariana! Der luxuriöseste Flug den ich in meinem Leben bisher geniessen durfte.
Irgendwann war ich dann wieder in Frankfurt - schon krass, diese wieder in Deutschland sein!

Thursday, July 27, 2006

Good bye


Mein letzter Tag in Kabul. Morgen ist diese kurze aber intensive Episode meines Lebes (zumindest vor Ort) vorbei.
Um diesen Tag gebührend zu feiern hat uns Jawan Shir in den Garten seiner Familie ausserhalb Kabuls eingeladen. Als chartern wir ein taxi und düsen los. Auch Mike (mein Nachfolger aus England) ist dabei und schießt Photos. Direkt an der Überlandstrasse wachsen hier, von einer Lehmmauer umgeben Tomaten, Beeren und andere Nutzpflanzen. 100 Meter entfehrnt kündigt uns Jawan eine "Schwimmmöglichkeit" an. Am ende "nur" ein Wassergraben, was aber hier wirklich eine massive erfrischung bietet.


Mike, mein Nachfolger ist bereits dabei und lernt mich und das Team besser kennen. Er hat bereits 3 Monate für AIESEC in Afghanistan verbracht und kam hier sehr gut klar. Ausserdem hat er einen fundierten IT-Hintergrund. Ich hoffe er kommt gut mit den Jungs klar, seine technischen Fähigkeiten und die damit damit verbundenen Visionen lassen auf jeden Fall keine Wünsche offen.
Der Tag war sehr herzlich und ich werde jeden einzelnen aus dem Team vermissen!

Resume

26.07.2006
Alle Teammitglieder sind inzwischen in der Lage, eigenständig zu arbeiten. Jeder hat ein Projekt, für das er verantwortlich zeichnet und administrative Aufgaben die routinemäßig zu erledigen sind. Ich selbst bin nicht mehr den ganzen Tag damit beschäftg, mir neue kleine Aufgabenpakete für alle Mitarbeiter auszudenken, sondern kann meine Aufmerksamkeit strategischen Themen widmen.
Was haben wir in den vergangenen monaten geschaffen?
Unser kleines Unternehmen besitzt ein gut strukturiertes Büro und bereits einen kleinen Kundenstamm. Da in Afghanistan viel über Beziehungen und Weiterempfehlungen läuft, stellt dieser Kundenstamm auch eine strategische Resource dar, die wir entsprechend pflegen.
Ausserdem haben wir uns in den letzten Wochen auch immer wieder Zeit genommen, Teambuilding zu betreiben und unser Unternehmen zu deffinieren.
Unsere Vision: "Making IT work for Afghanistan!"
Darunter verstehen das Ziel, Maßgeschneiderte IT-Dienstleistung für Afghanistan zu entwickeln, die die Microsofts dieser Welt nicht leisten können und wollen.
Basierend auf Open Source Software lokalisieren wir Programme in den lokalen Sprachen Dari und Pashto, so dass wir Unternehmen Komplettlösungen für deren Business anbieten können.
Daneben setzen wir uns mit Lösungen von Bandbreitenproblemen auseinander und promoten die Afghanische Contry-Topleveldomain ".af".
Besonderes Augenmerk legen wir auch auf den Bereich Bildung. Wir wollen das Internet als Informationsquelle näher an die afghanische Bevölkerung bringen. Sowohl Fortbildungen für afghanische Geschäftsleute als auch für Schüler sind hier in Planung.
Alles in allem wollen wir als originär afghanisches Unternehmen wahrgenommen werden, das afghanische Lösungen entwickelt, Weiterbildung bietet und ein Leuchturm in der afghanischen Geschäftswelt darstellt. Diese Vision motiviert auch meine Mitarbeiter derart stark, dass sie die Arbeit hier, der Arbeit bei den wesentlich besser zahlenden NGOs und Hilfsorganisationen vorziehen.
Wir sind auf einem guten Weg!

Tuesday, July 18, 2006

Der Skorpion

18.07.2006

Heute Abend hatte ich eine etwas unheimliche Begegnung. Als ich spät abends die Aussentreppe zu meinem Zimmer in der zweiten Etage emporsteige, sehe ich ein relativ grosses Insekt auf dem Fenstersitz herumlaufen. Interessiert komme ich ein paar Schritte näher, um herauszufinden was das wohl ist. Auf einmal erhbt das kleine Ding drohend sein Hinterteil und präsentiert einen prächtigen Stachel - RIESENSCHRECK!

Ein kleiner Skorpion (ca. so groß wie mein kleiner Finger, weiß). Ich wusste gar nicht, dass es dieses Zeug hier gibt. Wie mir meine Kollegen am nächsten Tag erklären, waren Skorpione noch vor ein paar Jahren viel häufiger hier, wegen der vielen zerstörten Gebäude im Krieg. Wahrscheinlich hat das abgebrannte Nachbargrundstück eine kleine Skorpionfamilie angezogen.
Jedenfalls versuche ich den ungebetenen Gast zu vertreiben - verdammt ist der schnell. Er verkrümelt sich in eine Teppichfalte auf dem Flur vor meinem Zimmer. Da ich wohl zu zartbeseitet bin, um auf dem Teppich herumzutrampeln, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück und stopfe alle zwischenräume mit Toilettenpapier zu. Es dauert lange bis ich mit der Taschenlampe in der Hand einschlafe. Oft wache ich auf und prüfe mit der Lampe alle Ecken im Raum und schaue unter mein Bett. Mit dem Skorpion wird mein Kopf die nächsten noch beschäftigt sein.


Monday, July 17, 2006

Kunduz

15.07.2006

Ein Auftrag der Provinzregierung von Kunduz gibt mir mal wieder eine Gelegenheit ein bisschen durch das Land zu reisen.

Kunduz, in Deutschland vor allem bekannt durch die dort sehr starke Bundeswehrpräsenz, ist eine Stadt im Norden Afghanistans, von Kabul getrennt durch das mächtige Hindukusch Gebirge, welches es über den Salang-Pass zu überwinden gilt.

Mit zwei meiner Kollegen und einem für zwei Tage gemieteten Taxi geht die Reise los.

Zusammen mit endlosen LKW Lawienen (alle LKW’s liebevoll bemahlt und mit Accesoirs ausstaffiert) geht es die engen Passstraßen hinauf. Der Blick schweift über die zerklüftete Berglandschaft, unheimliche Mienenfelder, malerische Bergdörfer und zerstörte Panzerwracks. Man kann es sich bildlich vorstellen, wie diese drei ausgebrannten russischen Panzer dort unten einst von einer Horde Muschahedin, die plötzlich auf dem Bergkamm auftauchten, überfallen und vernichtet wurden. Gänsehaut!

Dann aber wieder unheimlich friedliche Bilder. Ein Händler hat seinen Stand mit frischen Maulbeeren direkt an der Straße aufgebaut. Er lädt ein, in seinen kleinen Oase am Gebirgsbach ein wenig zu verweilen und zu entspannen.

Picknik mit meinem Taxifahrer

Schließlich ereichen wir den Salang Tunnel, ein dunkles Loch im Berg, innen schlecht beleuchet und belüftet sowie mit unzähligen tiefen Schlaglöchern versehen. Der TÜV hätte das Ding wohl schon lange geschlossen. Hier ist der seinerzeit von den russischen Besatzern gebaute Tunnel die einzige zügige Nord-Süd Verbindung.

Auf der anderen Seite geht es wieder die Berge hinab und es wird unerträglich warm. Die Luftfeuchtigkeit ist hier bei 40 Grad sehr viel höher als in Kabul. Wir kurbeln die Fenter herunter, aber die hereinstöhmende Luft scheint das Auto nur noch mehr aufzuheizen.

In dem gegenüber Kabul sehr beschaulich wirkenden Kunduz angekommen, beziehen wir zunächst unser Quartier, das ich bereits am Vortag über Freunde organisiert hatte. Abends wurde eine deutsche Kneipe ausfindig gemacht, in der die fulminate WM-Begegnung "Deutschland : Argentienen" bejubelt und mit deutschem Bier begossen wurde. Etwas aufgeregt habe ich mich darüber, das einem meiner afghanischen Begleiter, der auch ein Bier bestellen wollte, dieses verweigert wurde. Auf sein bitten hin, habe ich mich aber nicht weiter darüber beschwert.

Am nächsten Tag dann Ortstermin bei der Provinzregierung. Unser Ansprechpartner spricht deutsch, da er lange in Hildesheim gelebt hat, so läuft die Verständigung gut. Sie wollen eine Webseite, haben aber leider das Problem, dass sie im Regierungsgebeude noch keinen Internetanschluss haben. Auch hierfür wird aber eine Lösung gefunden und ein Vertrag geschlossen.

Dann wird der Kofferraum noch mit den Regionstypischen Melonen vollgeladen und es geht wieder auf den Rückweg.

Wednesday, July 12, 2006

Der Job

Nachdem nun das Büro eingerichtet und ein Team eingestellt ist, geht es an die Arbeit.

Meine Aufgabe ist es, innerhalb der kurzen Zeit die ich hier in Kabul bin, den 5 Jungs eine Grundstruktur zu geben in der der sie zukünftig arbeiten können.

Neben standarisierten Abläufen im Büro, habe ich besonderen Wert auf das gemeinsame Verständnis unseres Ziels und unserer Marke gelegt.


Der Chef (also icke) erleutert das Planungssystem

Wir haben uns gemeinsam mit dem Branding beschäftigt, welches unser kleines Uneternehmen prägen soll. Wir wollen in der Zukunft nicht nur als professioneller Dienstleister für internetgestützte Networking-Dienstleistungen auftreten, sondern wollen uns praktisch unseren eigenen Kundenstamm erschaffen, indem wir sehr viel Bildung vermitteln. Dies soll in Form von Seminaren geschehen, aber auch über unsere Werbung sollen Informationen transportiert werden, die über ein bloßes „diese Firme ist toll“ hinausgehen.

Einen weiteren wichtigen Baustein stellt der Versuch dar, einen „afghanischen Weg“ zu verfolgen. Dies soll bedeuten, dass PAIWASTOON nicht einfach erfolgreiche Konzepte aus der westlichen Welt kopiert sondern diese möglichst stimmig auf Afghansitan anpasst. Augescheinlich soll dies durch eine konsequente benutzung der beiden Landessprachen Dari und Pashtu werden, für deren Umsetzung wir als Experten gelten wollen.

Sehr zufrieden bin ich inzwischen mit der Arbeitsweise „meiner Jungs“. Wärend ich die ersten Tage und Wochen vornehmlich damit verbracht habe alle paar Minuten neue Aufgaben zu verteilen und in der zwischenzeit intensiv grübeln musste, was denn als nächstes zu tun sei, klappt das Delegieren inzwischen einwandfrei.

Jeder hat inzwischen seinen Verantwortungsbereich bekommen und innerhalb dieses Bereichs habe ich Projekte deffiniert mit denen die Jungs betraut sind. Das macht jetzt wirklich Spaß im Büro zu sitzen und zu sehen, wie alle wissen was sie zu tun haben. Ich kann jetzt selbst wieder inhaltlich arbeiten und längerfristig planen, muß nur ab und zu mal den Fortschritt loben oder auch mal korrigieren.

Besonders stolz bin ich auf unsere gemeinsam entwickelte Vison, die Schritt für Schritt heruntergebrochen in kleinere Ziele und Maßnahmen eine klare Richtung darstellt, in die unser Start Up gehen soll.

Monday, July 10, 2006

Tropenkrankheit

Seit 12 Stunden kein Strom (also auch kein Ventilator), 40° im Schatten und genausoviel Fieber. Das war der letzte Freitag. Das Ganze garniert mit einem RICHTIGEN Durchfall.

Nachdem wir dieser Zustand nach 3 Tagen unheimlich wurde und auch meine Kohletabletten meine Verdauung nicht mehr wiederherstellen konnten, habe ich schließlich das „Kabul German Medical Center“ ein Minikrankenhaus, betrieben von deutschen Ärzten, aufgesucht.

Unter anderen Umständen wäre das ein wirklich angenehmer Ort im chaotischen Kabul, mit Garten und sauberen schönen Räumen, in meinem Zustand war mir das allerdings ziemlich egal.

Zunächst ein Schock: Verdacht auf Thypus!

Dann aber relative Erleichterung. Eine Stuhlprobe (eine Tasse grüner Tee, die ich oben reingekippt habe und die unten, also hinten, Minuten später unverändert wieder herauskam) brachte die Ärztin zur Diagnose „Parasiten“. Das ganze ist ähnlich einer Salmonellenvergiftung und als Gegenmaßnahme muss ich nun massive Antibiotike schlucken. Toll! Gerade jetzt wo die Fußball WM beginnt. Auf meine Frage ob ich denn noch Bier trinken dürfe, bekam ich die Antwort: „Dürfen tun sie, aber schmecken wird es ihnen nicht“. Geschmeckt hat es gut, aber bekommen ist es mir absolut nicht.

Sunday, June 18, 2006

Bamyan & Band-e-amir

Nach den letzten Unruhen wäre auch mein geplanter Ausflug nach Bamyan und Band-e-amian fast ins Wasser gefallen, aber nach Rücksprache mit einigen Afghanen, die die Reise als relativ gefahrlos eingestuft haben, mache ich mich gemeinsam mit meinem Angstellten und Freund Waheeddullah auf den Weg.

Zunächst müssen wir in einer Markthalle für Inlandsreisen das richtige Fahrzeug auswählen. In einer dichten Menschenmenge rufen die Fahrer, der Mitsubischi Kleinbusse die Fahrziele aus... „Mazar, Mazar, Mazaaaaaar!“, „Kandhahaaaaaaar“, „Bamyaaaaaan“... aha, hier sind wir richtig. Ich überlasse Waheedullah das Aussuchen des Fahrzeugs und Aushandeln des Preises. Im 8 Sitzer geht es dann los, gemeinsam mit 6 weiteren Afghanen. Die geteerte Straße wird schon nach rund 20 Minuten verlassen, der größte Teil der Strecke geht über bucklige Naturpiste. 7 Stunden Fahrt sind angepeilt. Im Bus herrscht gute Stimmung, nehme allerdings nur sporadisch an der Konversation Teil, da es recht laut ist, ich den afghanischen Humor sowieso nicht wirklich verstehe und es draußen so viel zu sehen gibt.

Unser Überlandbus

Endlich kann ich einen Blick auf Afghanistan werfen, nachdem ich bisher nur das dreckige, stinkende, chaotische Kabul kennengelernt habe. Wüstenlandschaften wechseln sich ab mit unglaublich grün erscheinenden Feldern auf denen pink gewandete Frauen arbeiten, was überhaupt nicht kitschig wirkt, sondern einfach nur schön anzusehen ist. Im Krieg zerstörte Dörfer aber auch äußerst lebendige kleine Orte werden passiert. Schließlich klettert unser kleiner Bus immer höher in die Berge. Ich weiß noch immer nicht wie hoch wir da waren, es gibt aber wirklich atemberaubende Passstraßen und Hochplateaus zu sehen. Immer wieder mal garniert mit russischen Panzerwracks. Die Toilettenpausen müssen direkt an der Piste abgehalten werden, „hinterm Busch“ ist nicht, wegen der Minen, die links und rechts der Straße vor sich hin rosten.

Der „Abstieg“ nach Bamyan führt vorbei an einer jahrhundertealten (nicht mehr bewohnten) Felsenstadt, die in den „Grand Canyon“-roten Fels- gehauen ist.

Bamyan selbst ist eine ziemlich kleine Stadt, bekannt geworden durch die riesigen Felsbuddas (Weltkulturerbe), die die Taliban seinerzeit aus dem Fels gesprengt haben... Abbildungen von Lebewesen duldet der Koran nach ihrer Auslegung rigoros nicht.

In Bamyan nehmen wir uns ein kleines Zimmer in einer Pension. Im Zimmer liegt nur ein Teppich, zwei Matten und zwei Decken. Es ist dreckig und muffig, kostet aber nur 6,50 $ für zwei Nächte, inklusive Tee „all you can drink“! Eine Toilette oder Dusche gibt es auch nicht, nur eine öffentliche Bedürfnisanstalt, die ich hier lieber nicht beschreiben möchte.

Wenn es in Kabul schon ein etwas komisches Gefühl ist, als Ausländer durch die Straßen zu gehen, hier potenziert sich das ganze noch mal. Man kommt sich wirklich vor, wie von einem anderen Stern.

Beim Besichtigen der zerstörten Buddas (die Uno restauriert die Kulturdenkmäler derzeit, so gut es geht), treffen wir drei amerikanische Touristen. Für 10 Dollar haben sie sich Einlaß in den gesperrten Innenbereich der Buddas erkauft und wir dürfen mitkommen. Die Jungs fangen natürlich sofort an, in den Ruinen herumzuklettern, um Photos zu schießen. Dabei brechen dicke Gesteinsbrocken aus der Wand heraus, was mit Gejohle zur Kenntnis genommen wird. Super Aktion, die mal wieder von der hohen Achtung vor uralten kulturellen Schätzen zeugt... großartig!

Die berühmten Höhlenstaädte von Bamyan mit den Ex-Buddhas

Am folgenden Tag heuern Waheedullah und ich dann einen Taxifahrer an, der uns in dreistündiger Fahrt, über noch holperigere Pisten als am Vortag nach Band-e-amir fährt, einem See mitten in der Steppen/ Berglandschaft Afghanistans. Das Taxi rutscht auf der Piste hin und her, während der Fahrer uns lachend erzählt, dass das Autowrack, welches wir vor uns sehen, von der Straße abgekommen war und direkt in ein Minenfeld gerast ist. Dazu drückt er noch mal ordentlich das Gaspedal durch.

Als wir den See aus einiger Entfernung sehen können, sind wir schwer beeindruckt. „Das wird in der Zukunft einmal eines DER Tourismusziele Afghanistans sein“, denke ich mir. Azurblaues Wasser, umrahmt von einer unwirklichen, malerischen Landschaft.

Am See angekommen stelle ich fest, dass die Zukunft schon längst begonnen hat. Eine deutsche Touristengruppe, komplett mit Napfhüten und Photoausrüstungen ist schon da. Ich halte nur einen kurzen Plausch, dann mache ich mich mit meinem Begleiter zu einer Wandertour rund um den See auf. Ich will jetzt hier auch gar nichts weiter schreiben, die Bilder sprechen denke ich für sich.


Friday, June 09, 2006

Der Tag danach

30.05.2006

Am Tag nach den Unruhen, nimmt das Leben beängstigend schnell wieder normale Formen an. Die Afghanen meinen, dass wäre ein einmaliger Vorfall gewesen, der ja nun auch nicht sooo... schlimm war. Politiker lassen verlauten, das Militär und die Polizei bewiesen hätten , dass sie mit einer solchen Situation umgehen können. In Paris hätte die dortige Polizei schließlich sehr viel größere Probleme, die randalierenden Jugendlichen zu kontrollieren.
Da kritischer Umgang mit Informationen hier noch nicht sehr verbreitet ist, vertreten auch viele Afghanen, die gestern noch auf den Sauhaufen Polizei geschimpft haben, jetzt diese Meinung .

Als ich am Vormittag in die Stadt fahre, sind die meisten Geschäfte geschlossen und an allen wichtigen Verkehrsknotenpunkten sind Soldaten und Polizei stationiert (oder sagen wir mal, sie lungern da rum). Man sieht noch weniger Europäer im Straßenbild, als das sonst schon der Fall ist. Ein Freund, der für eine NGO (NRO = Nichtregierungsorganisation) arbeitet, hatte mich am Morgen angerufen und gesagt, dass viele Organisationen Ausgehverbote für ihre Mitarbeiter erlassen haben.
Sich heute in der Stadt zu bewegen, ist schon komisch. Angestarrt wurde man als Europäer ja schon vorher die ganze Zeit. Man hat aber erstmal nicht unterstellt, dass das Geglotze feindselig sei.

Heute ist das anders. Statt die Leute anzulächeln, wie ich das bisher gemacht habe, starre ich einfach zurück. Ein Trotzgefühl, dass nicht unbedingt mit positiven Gefühlen für Kabul behaftet ist. Ich ertappe mich bei dem Gedanken: "Mir macht ihr keine Angst, ihr Wichser. Wenn ich durch eure Scheiß-Stadt gehen will, dann mache ich das auch!"
Der an mir vorbeifahrende Geländewagen, aus dem mir eine Gruppe Jugendlicher "Fuck you!" zurufen, verstärkt dieses Gefühl für den Moment eher. Wie klug eine solche Einstellung ist, sei mal dahingestellt. War wohl auch nur der direkte Einfluß der Situation und hat sich schnell wieder normalisiert.

Der Nachmittag ist dagegen sehr viel versöhnlicher. Viele Afghanen die ich bisher kennengelernt habe (darunter einige Kunden) melden sich bei mir, um sich für ihre Landsleute zu entschuldigen und zu fragen ob es mir gut geht.


Hier ein Bericht zu dem Vorfall aus der Braunschweiger Zeitung:

Friday, June 02, 2006

Chaos in Kabul

29.05.2006

Als ich mich entschlossen habe, ein Praktikum in Afghanistan zu absolvieren, habe ich natürlich mehr als einmal über die Gefahren nachgedacht, die damit verbunden sind. Ich habe versucht mir auszumalen, in welche Situationen ich kommen könnte und wie ich regieren würde.

Aber natürlich sieht die Wirklichkeit anders aus!

Diesen Montag werde ich wahrscheinlich mein Leben lang nicht vergessen. Zum einen weil ich erlebt habe wie es ist sich in Lebensgefahr zu fühlen, zum anderen weil ich viel über Menschen und ihr (bzw. mein) Handeln in Extremsituationen gelernt habe.

Aber von Beginn an: Am Montag Vormittag waren plötzlich überall in Kabul die Sirenen von Krankenwagen und Polizeifahrzeugen zu hören. Ein Mitarbeiter, den ich zur Bank geschickt hatte, berichtete, dass viele Straßen in der Stadt gesperrt sind und Schüsse zu hören waren.

Also Fernseher an und Informationen sammeln: Ein US-Militärkonvoi mit schweren Lastwagen hatte in einem Unfall zwei Taxi zermalmt und dabei einen Menschen getötet und viele verletzt. Daraufhin kam es zu spontanen Protesten der Afghanen gegen die GI’s. Die Fahrzeuge wurden mit Steinen beworfen und ein wütender Mob kreiste die Soldaten ein. Wer einmal eine US Patrouille in Kabul hat fahren sehen, der kann zumindest ein wenig Verständnis für die Wut empfinden, denn wer den Anspruch hat in einem Land bestimmte Regeln durchzusetzen, der sollte sich auch selbst an diese halten.

Was passierte nachdem die wütende Menge anfing Steine zu werfen, darüber kursieren unterschiedliche Berichte. Die Militärs wurden wohl nervös und begannen zu schießen.

Nach eigenen Angaben haben sie über die Köpfe der Demonstranten geschossen und zur Hilfe eilende afghanische Polizei hat dann in die Menge gezielt. Andere Stellen berichten, sie hätten selbst das Feuer auf die Angreifer eröffnet und seien dann einfach durch die Menschen hindurchgefahren. Wie auch immer, das Resultat waren 30 Tote und viele Verletze.

Gegen Mittag brachte das Fernsehen die Meldung, eine große Gruppe Demonstranten hätte sich im Regierungsviertel versammelt und wolle durch die Stadt ziehen. Zwei meiner Mitarbeiter riefen an und meldeten, sie könnten nicht kommen, da der Weg versperrt ist.

Über der Stadt waren Rauchwolken zu sehen, wie sie entstehen wenn Reifen angezündet werden.

Auf einmal waren in einiger Entfernung Schüsse zu hören und das Gerücht kam auf, dass die Ausschreitungen sich in unsere Richtung bewegen würden. Ein weiterer Mitarbeiter rief völlig aufgelöst an und teilte mit, eben wäre gerade vor ihm ein Mensch von der Polizei erschossen worden, er sei gerade noch so entkommen. Langsam brach die Angst aus in unserer Straße. Geschäfte wurden verschlossen und Autos weggefahren. Das kurioseste allerdings war, die Polizisten am nahegelegenen Kontrollposten tauschten ihre Uniformen gegen Zivilkleidung und machten sich vom Acker. Inzwischen war klar, dass unser Viertel Ziel von Angriffen werden würde, da hier viele NGO’s untergebracht sind und viele Ausländer leben, die inzwischen kollektiv Ziel des Zorns geworden waren.

Auf der Straße braut sich was zusammen

Eine deutsche Journalistin, Frederike, die gerade bei uns zu Gast war, schlug vor, eine Leiter an die hintere Wand des Innenhofes zu stellen, um einen zweiten Weg aus dem Gebäude zu haben. Als Geschrei, Glassplittern und vereinzelte Schüsse ganz bei uns in der Nähe zu hören waren, tauchten auf einmal Menschen auf der Mauer zu unserem Nachbargrundstück auf, zuerst ein Mann. Ich dachte: „Scheiße sie kommen!“ Er saß in der Hocke auf der Mauer und ich stand alleine davor. Als ich ihm in die Augen sah, wurde mir allerdings klar, dass er in diesem Moment genauso viel Angst hatte wie ich. Hinter ihm tauchte eine Frau, eine Chinesin, auf und mir wurde klar, dass sich dort wohl die Belegschaft des angeblichen Chinesenpuffs neben unserer Mediothek in Sicherheit bringen wollte. Ich gab ihnen zu verstehen, dass sie rüber kommen sollten. Inzwischen hatten auch die afghanischen Mediotheksmitarbeiter Wind von der Sache bekommen und waren gar nicht begeistert. Die Chinesen waren eine zusätzliche Gefahr für uns, soviel war klar.

Die Puffbelegschaft zu Besuch

Auf den Häusern um uns herum standen auf einmal überall Leute, die sich wohl dort in Sicherheit bringen wollten. Allerdings war nicht klar, ob sie nicht doch eine Gefahr für uns darstellten. Daher mussten die Chinesen und ich uns verstecken, da wir deutlich als Ausländer erkennbar waren. Frederike flüchtete über die Leiter zu den Nachbarn. Bei einer afghanischen Familie ist es in einer solchen Situation sicherer, als in einem Gebäude, das von aussen deutlich als internationale NGO erkennbar ist. Da bei den Nachbarn allerdings nur Frauen zu hause waren, wollten die keine Männer aufnehmen, die Chinesinnen wurden besser erst gar nicht erwähnt.


Ich sollte in ein Zimmer im Erdgeschoss gehen und mich dort einschließen, die Chinesen sollten im Vorraum bleiben. Durch das Fenster konnte ich sehen wie direkt vor unserem Haus auf der Straße Rauch aufstieg, wohl ein brennendes Auto, und ich hörte Geschrei und Fensterscheiben splittern. Außerdem konnte ich hören wie der Mob gegen ein Blechtor trommelte. Aus dem Fenster konnte ich auch die Mauer über die die Chinesen gekommen waren sehen. Ich hörte das Blechtor nachgeben und kurz danach sah und hörte sich wie auf dem Nachbargrundstück, keine 5 Meter von mir weg, die Zerstörung begann. Als es nach 10 Minuten etwas ruhiger wurde, öffnete ich meine Tür, um nach den Chinesinnen zu sehen. Die saßen immer noch verängstigt im Vorraum und bedankten sich bei mir, dass sie bleiben durften. Da mir nichts besseres einfiel, machte ich uns erst mal einen Tee. Dann verließ ich den Gebäudeteil, um die Lage zu erkunden. Zwei meiner Mitarbeiter, ein AIESECer und 9 Mediotheksleute (darunter drei heulende Putzfrauen) waren im Vorhof versammelt.

Die Straße vor meiner Tür

Ich gab ihnen zu verstehen, dass ich mich nicht mehr in dem Raum verstecken wollte. Daraufhin bekam ich afghanische Kleidung inklusive Kopftuch, damit mich niemand als Ausländer erkennen könne. Ich holte meinen Photoapparat schoss ein paar Bilder. Vom Nachbargrundstück stieg Rauch auf.

Plötzlich wurde der Rauch stärker und Flammen schlugen hoch. Es hatte wohl jemand einen Molotovcocktail in das Gebäude geworfen. Die Flammen schlugen über die Mauer unseres Grundstücks. Wir begannen die Holzteile von der Mauer zu reißen, sowie die EDV-Gegenstände aus dem direkt angrenzenden Büro zu retten. Hier machte sich meine Verkleidung bezahlt, denn lediglich die Nase hat eine ordentliche Dosis Hitze abbekommen.

Feuer im Nachbarshaus

Falls es hier so aussieht als ob ich grinse, dann ist das warscheinlich nur die Freude über die gelungene Verkleidung

Als das Gebäude in hellen Flammen stand gab es nicht mehr viel was wir tun konnten, denn der Strom für die Wasserpumpe war auch inzwischen ausgefallen.

Der Chinesenpuff brannte bis auf die Grundmauern herunter, unter dem Gejohle kleinerer Gruppen, die immer noch auf den Straßen herummarodierten.

Nach über drei Stunden Anarchie erschien endlich Polizei auf den Dächern. Weiter die Straße hinauf, war erneut Gewehrfeuer zu hören. Die Polizei wollte uns evakuieren, unsere Afghanen hatten dafür aber nur Protest und Anschuldigungen über: „ Ihr wollt doch nur, dass wir hier abhauen, damit ihr das Haus ausräumen könnt!“ Soviel zum Image der Ordnungshüter.

Nach drei Stunden Chaos erscheint die Polizei

Jetzt als es ruhig wurde, kam auch Frederike zurück. Sie entschloss sich, einen Fahrer des Goetheinstituts Kabul zu bitten, sie abzuholen, da es dort sicherer sei. Ich wollte zunächst bleiben, allerdings bestand die Gefahr, dass sich herumspräche, dass wir die Chinesen aufgenommen haben, also nahm ich das Angebot, welches einer meiner Mitarbeiter (Jawanshir) mir gemacht hatte an, die Nacht bei seiner Familie unterzukommen. Gemeinsam mit ihm und in meiner „Original Afghane“ Verkleidung ging es in einem Taxi durch die Stadt. Das Gebäude der Hilfsorganisation CARE war ebenfalls abgebrannt, an manchen Wänden sah man Spuren von Molotovcocktails, viele Scheiben waren zersplittert.

Das ausgebrannte Nachbarshaus

Wie Jawanshir mir nach der Fahrt erklärte, hätte meine Verkleidung wohl funktioniert. Der Fahrer hätte die ganze Zeit über gegen die dekadenten Ausländer gewettert.

Bei seiner Familie wurde ich herzlich aufgenommen. Wir haben lange über Afghanistan und Politik diskutiert und sein Vater hat die ganze Nacht über Wache gehalten.

Etwas, was ich sehr deutlich empfunden habe ist, dass im Angesicht der Gefahr die Sinne plötzlich sehr viel stärker zu arbeiten beginnen.
Mann denkt parallel an verdammt viele verschiedene Dinge: "Wo finde ich ich den nächsten Knüppel? /Wie kann ich mich möglichst deeskalierend verhalten?/ Könnte ich Angreifer nur mit festen Blick und Furchtlosigkeit beeindrucken?..." Die größte Frage ist allerdings: "Wie kann ich mich in dieser Krisensituation am effektivsten einbringen?/ Herrscht an einer Stelle Entscheidungsschwäche oder ordnet man sich erfahreneren Menschen unter?" Das stärkste Gefühl in mir war allerdings: "Bloß nicht untätig sein und den anderen Mut machen!"

Ich bin ehrlich gesagt ein klein wenig Stolz, dass ich im Nachhinein von den Afghanen zu hören bekomme, dass ich unheimlich locker gewirkt hätte, sogar noch den ein oder anderen Spaß auf den Lippen hatte und alle wichtigen Momente auf meiner Digicam festgehalten habe. In Wirklichkeit hatte ich natürlich unheimlich Schiß!

Tuesday, May 23, 2006

Kultur & Ästetik

Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters. Schönheit und Ästetik haben aber wohl auch eine kulturelle Dimension. Dafür, dass mein deutscher/europäischer Sinn für Ästetik sich nicht immer mit dem afghanischen Deckt, sind mir in der vergangenen Woche zwei schöne Beispiele begegnet.
Die Afghanen haben an sich einen Ausgeprägten Sinn für Schönheit. Afghanische Männer können sich beispielsweise eine gefühlte Ewigkeit an einer Rose ergötzen. Sie schwärmen über deren Farbe, berauschen sich an ihrem Duft und berühren sie zärtlich und bewundernd.
Um so erstaunter war ich, als ich auf der Suche nach einer Ansichtskarte dich verschicken wollte auf dieses exemplar stieß.


Ja, gut... das ist schon eine typische Strassenszene aus Kabul... aber, naja. Wählt man für solche Karten nicht "Vorzeigemotive" aus. Hier sehen wir eine schmutzige Nebengasse bei leicht diesigen Wetter. Schön! Ich hab gleich mal alle vorhandenen Exponate gekauft, weil ichso beeindruckt war.

Einen tag später bitte ich dann einen Mitarbeiter, er solle mal zwei Uhren kaufen, damit wir die afghanische Zeit und die deutsche Zeit im Büro präsent haben. Und natürlich, um damit ein wenig internationalität in unser kleines Office zu bringen, um es halt etwas cooler zu machen.
Bis auf wenige Ausnahmen, habe ich es zum Prinzip gemacht, dass die Mitarbeiter über die Einrichtung selbst bestimmen können. So soll auf ihrer Seite eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen stattfinden. Sie bestimmen was wir genau brauchen, wieviel Geld wir dafür ausgeben wollen und wie es aussehen soll. Diese Uhren will ich jetzt aber haben - wie gesagt, ein wenig Coolness!
Ganz lösen will ich mich von meinem Prinzip der Mitbestimmung aber auch nicht. Daher gehe ich nicht selbst los, sondern lasse Wahedullah entscheiden.
Und jetzt das hier...

Echt cool und weltläufig, oder?

Sunday, May 21, 2006

Panorama in grau/beige

Ein paar Panoramaansichten aus Kabul





Saturday, May 20, 2006

Deutsche Delegation

Auf der größten Messe Afghanistans, der „Investing in Afghanistan“ darf ich mit „meiner“ Firma natürlich nicht fehlen. Also Messestand gemietet, Broschüren und Poster gedruckt und meinen Jungs noch schnell eine Verkaufsschulung verpasst.

Waheedullah und Khalid in unserem Messestand

Auf der Messe sind wir Teil des „German Pavillon“, der vom BDI organisiert wird.

Zusätzlich zur Messe gibt es eine Kabul-Rundreise für die deutsche Delegation.

Mit 20 anderen deutschen (bzw. größtenteils deutsch/afghanischen) Geschäftsleuten besuche ich Firmen Regierungsstellen und die afghanische Handelskammer. Am ersten Abend gibt es einen Empfang in der deutschen Botschaft. Endlich mal wieder ein paar echte Bier hinter die Binde gießen, und das auch noch in Gesellschaft des Botschafters.

Besonders erwähnenswert an der ganzen Reiseaktion ist zum einen die Polizeieskorte, die unseren Bus mit lautem Sirenengeheul und Megaphonansagen durch den Stau gelotst hat, zum anderen die Firma Hoch-Pharma. Hoch-Pharma ist ein privatisiertes Unternehmen, das komplett auf die ehemalige Hoechst AG aufbaut, die hier in den 70ern eine komplette Fabrikation importiert hat. Die beiden deutsch/afghanischen Besitzer sind sehr stolz darauf, dass fast alles, was Hoechst seinerzeit ins Land geschafft hatte, so noch erhalten und in Benutzung ist. Auch das Gebäude ist ein Hoechst-Produkt, so wie die Firma es standardmäßig an allen Produktionsstandorten errichtet hat. Das ganze ist eine Art Zeitreise in die deutschen 70er Jahre. Vom orangen Telefon mit Wählscheibe über die furnierten Schreibtische bis zur Lochkarte (richtige Computer sind hier Fehlanzeige – also für mich auch kein Geschäft zu machen) alles original. Wer also vorhat, so was wie „Der große Bellheim“ in einer 70th Version zu drehen, hier ist er richtig. Natürlich ist auch die ganze Produktion stilecht, was aber auch Sinn macht, da die alten Maschinen leichter zu reparieren und weniger anfällig gegen Stromschwankungen sind.

Zum Abschluß noch eine letzte Anekdote der Rundreise: Beim sammeln im Hotel schnacke ich mit einem Vertreter von ARIAN Naturdärme (hö,hö), ein weiterer Deutsch/Afghane und stelle fest, dass er aus Braunschweig kommt. Ich befrage ihn nach der afghanischen Community in BS und speziell danach, ob meine Vermutung richtig sei, dass der Besitzer meines Lieblingscafes (Journal am Wollmarkt) Afghane sei. Darauf er: „Ja, dass ist der Herr da drüben!“ Kleine Welt!

Ach ja, die Messe war dann ganz ok, ein paar Neukunden sollten rausgesprungen sein. Mal sehen.

Besonders beeindruckend waren hier die kleinen Kinder, die durch irgendwelche Zaunlöcher auf das Gelände gelangt sind und nun, ständig verfolgt von den Wachmännern, versuchen, alles abzugreigfen was die Messestände hergeben. Gut, dass der BDI uns mit Coladosen versorgt, so können wir immer ordentlich verteilen. Zusätzlich habe ich mal meine Gummibärchen-Vorräte mitgebracht, die reißenden Absatz finden.