Sunday, July 30, 2006

Rückflug

30.07.2006

Nach fast fünf Monaten am Hindukusch geht es zurück nach Deutschland.
Laut meinen Flugpapieren besteht die komfortable Verbindung Kabul-Frankfurt via Ariana-Air noch. Doch am Flughafen werde ich eines besseren belehrt. An diesem Nachmittag verlassen drei Pasagiermaschienen Kabul, alle Passagiere sitzen gemeinsam in der heissen Wartehalle und harren ihres Aufrufs. Doch einen solchen in dem Sinne gibt es gar nicht. Die Flughafenbetreiber setzen voll auf den in Afghanistan üblichen indirekten Informationsfluß. Irgendjemand weiß, dass da gleich ein Flug irgendwohin abfliegen wird und in der allgemeinen Hektik wird unter den Passagieren geklärt, wo der wohl hingeht. Ich treffe eine andere Deutsche, die auch nach Frankfurt fliegen will. In unserer Unterhaltung erwähnt sie, sie hoffe die Fluggesellschaft bezahlt uns noch ein Hotel!!!??? - Ich wundere mich, frage aber nicht weiter nach. Als wir schließlich erfahren, dass da draussen wohl gleich ein Flugzeug in unsere Richtung starten wird, machen wir uns auf den Weg. Da ich echt ein wenig Angst vor dem Fliegen habe, bin ich genauestens über die Flugzeuge und Wartungsrichtlinien der Ariana-Air informiert. Aber Moment! Das Flugzeug, welches wir da gleich besteigen werden besitzt doch gar keine Erlaubnis nach Europa zu fliegen - viel zu alt und "unsicher"!
"Ach das wusstest Du gar nicht?", fragt mich meine neue Bekanntschaft. "Wir fliegen mit dem Ding doch nur bis Dubai, übernachten dort und dann geht es irgendwie weiter." - Na toll!

Wir schaffen es aber tatsächlich bis nach Dubai. Als die Anschnallzeichen in der Maschine aufleuchten, springen alle afghanischen Mitreisenden schon mal auf und holen ihr Gepäck aus der Ablage. Als die Maschine ausrollt, stehen sie schon in der Schlange vor der Ausstiegsluke. Wir Europäer schnallen uns ab.
Nachdem wir alle ausgestiegen sind, müssen wir erstmal in Erfahrung bringen, wie es jetzt weitergeht - Ariana Air hat diesmal nicht nur mich im dunkeln gelassen.
Wir Europäer stellen uns an einem wohl dafür vorgesehen Infoschalter an, der auch für den Transit Check In auf dem Flughafen vorgesehen ist. Die Afghanen bedrängen einen zufällig anwesenden Sicherheitsbeamten im Scheichoutfit.
Als der Schalter endlich öffnet, lassen die Afghanen von dem Sicherheitsbeamten ab und stellen sich pulkförmig VORNE, vor dem Schalter an. Den ersten 10 gelingt der Check In, bis andere Sicherheitsbeamten für Ordnung sorgen und die Reienefolge wieder herstellen. Trotzdem schafft es noch gut die Hälfte der verbliebenen rund 40 Afghanen vor mir durch den Check In zu "diffundieren". Ich bin zu gleichen Teilen amüsiert und sauer!
Beim Check In lerne ich Ahmad kennen. Er ist Afghane, allerdings im alter von 5 Jahren nach Deutschland in eine Pflegefamilie gekommen. Er wurde damals nach Deutschland gebracht, da er sich bei einem Autounfall den Arm schwer verletz hat (er hat Bustickets für das Unternehmen seines Vaters kontolliert und ist vom Dach des fahrenden Busses gestürzt).
Der Arm ist immernoch verkümmert, die deutschen Ärtzte haben ihm aber damals nach seiner Aussage das Leben gerettet. Ahmad kommt gerade von seinem ersten (!!!) Besuch bei seiner Familie seit diesem Unfall zurück - er ist heute 21 Jahre alt.
Seine Berichte von der Heimkehr sind sehr emotional. Am meisten bewegt mich, dass er festgestellt hat, das seine Schwester wahrscheinlich unter Brustkrebs leidet, sich aber nicht von einem männlichen Artzt berühren lassen will. Er hat sie über Wochen bearbeitet und es schließlich geschafft, sie zu einem "Artzt" zu schleifen. Der hat ihr dann soetwas wie Aspirin verschrieben, da er nicht wusste mit was eres zu tun hatte. Ahmad hat darufhin beschlossen, sein schmales Azubigehalt in Deutschland zur Rettung seiner Schwester zu verwenden. Eine sehr bewegende Geschichte!
Unsere Unterhaltung dauert bis tief in die Nacht. Schließlich schaffen wir es doch, ein wenig zu schlafen - glückleicherweise ist der Flughafen Dubai eine echte Luxusherberge mit dicken weichen Teppich und Klimaanlage.
Am nächsten Tag geht es weiter mit Singapore-Airlines - was für ein Unterschied zu Ariana! Der luxuriöseste Flug den ich in meinem Leben bisher geniessen durfte.
Irgendwann war ich dann wieder in Frankfurt - schon krass, diese wieder in Deutschland sein!

Thursday, July 27, 2006

Good bye


Mein letzter Tag in Kabul. Morgen ist diese kurze aber intensive Episode meines Lebes (zumindest vor Ort) vorbei.
Um diesen Tag gebührend zu feiern hat uns Jawan Shir in den Garten seiner Familie ausserhalb Kabuls eingeladen. Als chartern wir ein taxi und düsen los. Auch Mike (mein Nachfolger aus England) ist dabei und schießt Photos. Direkt an der Überlandstrasse wachsen hier, von einer Lehmmauer umgeben Tomaten, Beeren und andere Nutzpflanzen. 100 Meter entfehrnt kündigt uns Jawan eine "Schwimmmöglichkeit" an. Am ende "nur" ein Wassergraben, was aber hier wirklich eine massive erfrischung bietet.


Mike, mein Nachfolger ist bereits dabei und lernt mich und das Team besser kennen. Er hat bereits 3 Monate für AIESEC in Afghanistan verbracht und kam hier sehr gut klar. Ausserdem hat er einen fundierten IT-Hintergrund. Ich hoffe er kommt gut mit den Jungs klar, seine technischen Fähigkeiten und die damit damit verbundenen Visionen lassen auf jeden Fall keine Wünsche offen.
Der Tag war sehr herzlich und ich werde jeden einzelnen aus dem Team vermissen!

Resume

26.07.2006
Alle Teammitglieder sind inzwischen in der Lage, eigenständig zu arbeiten. Jeder hat ein Projekt, für das er verantwortlich zeichnet und administrative Aufgaben die routinemäßig zu erledigen sind. Ich selbst bin nicht mehr den ganzen Tag damit beschäftg, mir neue kleine Aufgabenpakete für alle Mitarbeiter auszudenken, sondern kann meine Aufmerksamkeit strategischen Themen widmen.
Was haben wir in den vergangenen monaten geschaffen?
Unser kleines Unternehmen besitzt ein gut strukturiertes Büro und bereits einen kleinen Kundenstamm. Da in Afghanistan viel über Beziehungen und Weiterempfehlungen läuft, stellt dieser Kundenstamm auch eine strategische Resource dar, die wir entsprechend pflegen.
Ausserdem haben wir uns in den letzten Wochen auch immer wieder Zeit genommen, Teambuilding zu betreiben und unser Unternehmen zu deffinieren.
Unsere Vision: "Making IT work for Afghanistan!"
Darunter verstehen das Ziel, Maßgeschneiderte IT-Dienstleistung für Afghanistan zu entwickeln, die die Microsofts dieser Welt nicht leisten können und wollen.
Basierend auf Open Source Software lokalisieren wir Programme in den lokalen Sprachen Dari und Pashto, so dass wir Unternehmen Komplettlösungen für deren Business anbieten können.
Daneben setzen wir uns mit Lösungen von Bandbreitenproblemen auseinander und promoten die Afghanische Contry-Topleveldomain ".af".
Besonderes Augenmerk legen wir auch auf den Bereich Bildung. Wir wollen das Internet als Informationsquelle näher an die afghanische Bevölkerung bringen. Sowohl Fortbildungen für afghanische Geschäftsleute als auch für Schüler sind hier in Planung.
Alles in allem wollen wir als originär afghanisches Unternehmen wahrgenommen werden, das afghanische Lösungen entwickelt, Weiterbildung bietet und ein Leuchturm in der afghanischen Geschäftswelt darstellt. Diese Vision motiviert auch meine Mitarbeiter derart stark, dass sie die Arbeit hier, der Arbeit bei den wesentlich besser zahlenden NGOs und Hilfsorganisationen vorziehen.
Wir sind auf einem guten Weg!

Tuesday, July 18, 2006

Der Skorpion

18.07.2006

Heute Abend hatte ich eine etwas unheimliche Begegnung. Als ich spät abends die Aussentreppe zu meinem Zimmer in der zweiten Etage emporsteige, sehe ich ein relativ grosses Insekt auf dem Fenstersitz herumlaufen. Interessiert komme ich ein paar Schritte näher, um herauszufinden was das wohl ist. Auf einmal erhbt das kleine Ding drohend sein Hinterteil und präsentiert einen prächtigen Stachel - RIESENSCHRECK!

Ein kleiner Skorpion (ca. so groß wie mein kleiner Finger, weiß). Ich wusste gar nicht, dass es dieses Zeug hier gibt. Wie mir meine Kollegen am nächsten Tag erklären, waren Skorpione noch vor ein paar Jahren viel häufiger hier, wegen der vielen zerstörten Gebäude im Krieg. Wahrscheinlich hat das abgebrannte Nachbargrundstück eine kleine Skorpionfamilie angezogen.
Jedenfalls versuche ich den ungebetenen Gast zu vertreiben - verdammt ist der schnell. Er verkrümelt sich in eine Teppichfalte auf dem Flur vor meinem Zimmer. Da ich wohl zu zartbeseitet bin, um auf dem Teppich herumzutrampeln, ziehe ich mich in mein Zimmer zurück und stopfe alle zwischenräume mit Toilettenpapier zu. Es dauert lange bis ich mit der Taschenlampe in der Hand einschlafe. Oft wache ich auf und prüfe mit der Lampe alle Ecken im Raum und schaue unter mein Bett. Mit dem Skorpion wird mein Kopf die nächsten noch beschäftigt sein.


Monday, July 17, 2006

Kunduz

15.07.2006

Ein Auftrag der Provinzregierung von Kunduz gibt mir mal wieder eine Gelegenheit ein bisschen durch das Land zu reisen.

Kunduz, in Deutschland vor allem bekannt durch die dort sehr starke Bundeswehrpräsenz, ist eine Stadt im Norden Afghanistans, von Kabul getrennt durch das mächtige Hindukusch Gebirge, welches es über den Salang-Pass zu überwinden gilt.

Mit zwei meiner Kollegen und einem für zwei Tage gemieteten Taxi geht die Reise los.

Zusammen mit endlosen LKW Lawienen (alle LKW’s liebevoll bemahlt und mit Accesoirs ausstaffiert) geht es die engen Passstraßen hinauf. Der Blick schweift über die zerklüftete Berglandschaft, unheimliche Mienenfelder, malerische Bergdörfer und zerstörte Panzerwracks. Man kann es sich bildlich vorstellen, wie diese drei ausgebrannten russischen Panzer dort unten einst von einer Horde Muschahedin, die plötzlich auf dem Bergkamm auftauchten, überfallen und vernichtet wurden. Gänsehaut!

Dann aber wieder unheimlich friedliche Bilder. Ein Händler hat seinen Stand mit frischen Maulbeeren direkt an der Straße aufgebaut. Er lädt ein, in seinen kleinen Oase am Gebirgsbach ein wenig zu verweilen und zu entspannen.

Picknik mit meinem Taxifahrer

Schließlich ereichen wir den Salang Tunnel, ein dunkles Loch im Berg, innen schlecht beleuchet und belüftet sowie mit unzähligen tiefen Schlaglöchern versehen. Der TÜV hätte das Ding wohl schon lange geschlossen. Hier ist der seinerzeit von den russischen Besatzern gebaute Tunnel die einzige zügige Nord-Süd Verbindung.

Auf der anderen Seite geht es wieder die Berge hinab und es wird unerträglich warm. Die Luftfeuchtigkeit ist hier bei 40 Grad sehr viel höher als in Kabul. Wir kurbeln die Fenter herunter, aber die hereinstöhmende Luft scheint das Auto nur noch mehr aufzuheizen.

In dem gegenüber Kabul sehr beschaulich wirkenden Kunduz angekommen, beziehen wir zunächst unser Quartier, das ich bereits am Vortag über Freunde organisiert hatte. Abends wurde eine deutsche Kneipe ausfindig gemacht, in der die fulminate WM-Begegnung "Deutschland : Argentienen" bejubelt und mit deutschem Bier begossen wurde. Etwas aufgeregt habe ich mich darüber, das einem meiner afghanischen Begleiter, der auch ein Bier bestellen wollte, dieses verweigert wurde. Auf sein bitten hin, habe ich mich aber nicht weiter darüber beschwert.

Am nächsten Tag dann Ortstermin bei der Provinzregierung. Unser Ansprechpartner spricht deutsch, da er lange in Hildesheim gelebt hat, so läuft die Verständigung gut. Sie wollen eine Webseite, haben aber leider das Problem, dass sie im Regierungsgebeude noch keinen Internetanschluss haben. Auch hierfür wird aber eine Lösung gefunden und ein Vertrag geschlossen.

Dann wird der Kofferraum noch mit den Regionstypischen Melonen vollgeladen und es geht wieder auf den Rückweg.

Wednesday, July 12, 2006

Der Job

Nachdem nun das Büro eingerichtet und ein Team eingestellt ist, geht es an die Arbeit.

Meine Aufgabe ist es, innerhalb der kurzen Zeit die ich hier in Kabul bin, den 5 Jungs eine Grundstruktur zu geben in der der sie zukünftig arbeiten können.

Neben standarisierten Abläufen im Büro, habe ich besonderen Wert auf das gemeinsame Verständnis unseres Ziels und unserer Marke gelegt.


Der Chef (also icke) erleutert das Planungssystem

Wir haben uns gemeinsam mit dem Branding beschäftigt, welches unser kleines Uneternehmen prägen soll. Wir wollen in der Zukunft nicht nur als professioneller Dienstleister für internetgestützte Networking-Dienstleistungen auftreten, sondern wollen uns praktisch unseren eigenen Kundenstamm erschaffen, indem wir sehr viel Bildung vermitteln. Dies soll in Form von Seminaren geschehen, aber auch über unsere Werbung sollen Informationen transportiert werden, die über ein bloßes „diese Firme ist toll“ hinausgehen.

Einen weiteren wichtigen Baustein stellt der Versuch dar, einen „afghanischen Weg“ zu verfolgen. Dies soll bedeuten, dass PAIWASTOON nicht einfach erfolgreiche Konzepte aus der westlichen Welt kopiert sondern diese möglichst stimmig auf Afghansitan anpasst. Augescheinlich soll dies durch eine konsequente benutzung der beiden Landessprachen Dari und Pashtu werden, für deren Umsetzung wir als Experten gelten wollen.

Sehr zufrieden bin ich inzwischen mit der Arbeitsweise „meiner Jungs“. Wärend ich die ersten Tage und Wochen vornehmlich damit verbracht habe alle paar Minuten neue Aufgaben zu verteilen und in der zwischenzeit intensiv grübeln musste, was denn als nächstes zu tun sei, klappt das Delegieren inzwischen einwandfrei.

Jeder hat inzwischen seinen Verantwortungsbereich bekommen und innerhalb dieses Bereichs habe ich Projekte deffiniert mit denen die Jungs betraut sind. Das macht jetzt wirklich Spaß im Büro zu sitzen und zu sehen, wie alle wissen was sie zu tun haben. Ich kann jetzt selbst wieder inhaltlich arbeiten und längerfristig planen, muß nur ab und zu mal den Fortschritt loben oder auch mal korrigieren.

Besonders stolz bin ich auf unsere gemeinsam entwickelte Vison, die Schritt für Schritt heruntergebrochen in kleinere Ziele und Maßnahmen eine klare Richtung darstellt, in die unser Start Up gehen soll.

Monday, July 10, 2006

Tropenkrankheit

Seit 12 Stunden kein Strom (also auch kein Ventilator), 40° im Schatten und genausoviel Fieber. Das war der letzte Freitag. Das Ganze garniert mit einem RICHTIGEN Durchfall.

Nachdem wir dieser Zustand nach 3 Tagen unheimlich wurde und auch meine Kohletabletten meine Verdauung nicht mehr wiederherstellen konnten, habe ich schließlich das „Kabul German Medical Center“ ein Minikrankenhaus, betrieben von deutschen Ärzten, aufgesucht.

Unter anderen Umständen wäre das ein wirklich angenehmer Ort im chaotischen Kabul, mit Garten und sauberen schönen Räumen, in meinem Zustand war mir das allerdings ziemlich egal.

Zunächst ein Schock: Verdacht auf Thypus!

Dann aber relative Erleichterung. Eine Stuhlprobe (eine Tasse grüner Tee, die ich oben reingekippt habe und die unten, also hinten, Minuten später unverändert wieder herauskam) brachte die Ärztin zur Diagnose „Parasiten“. Das ganze ist ähnlich einer Salmonellenvergiftung und als Gegenmaßnahme muss ich nun massive Antibiotike schlucken. Toll! Gerade jetzt wo die Fußball WM beginnt. Auf meine Frage ob ich denn noch Bier trinken dürfe, bekam ich die Antwort: „Dürfen tun sie, aber schmecken wird es ihnen nicht“. Geschmeckt hat es gut, aber bekommen ist es mir absolut nicht.