Tuesday, May 23, 2006

Kultur & Ästetik

Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters. Schönheit und Ästetik haben aber wohl auch eine kulturelle Dimension. Dafür, dass mein deutscher/europäischer Sinn für Ästetik sich nicht immer mit dem afghanischen Deckt, sind mir in der vergangenen Woche zwei schöne Beispiele begegnet.
Die Afghanen haben an sich einen Ausgeprägten Sinn für Schönheit. Afghanische Männer können sich beispielsweise eine gefühlte Ewigkeit an einer Rose ergötzen. Sie schwärmen über deren Farbe, berauschen sich an ihrem Duft und berühren sie zärtlich und bewundernd.
Um so erstaunter war ich, als ich auf der Suche nach einer Ansichtskarte dich verschicken wollte auf dieses exemplar stieß.


Ja, gut... das ist schon eine typische Strassenszene aus Kabul... aber, naja. Wählt man für solche Karten nicht "Vorzeigemotive" aus. Hier sehen wir eine schmutzige Nebengasse bei leicht diesigen Wetter. Schön! Ich hab gleich mal alle vorhandenen Exponate gekauft, weil ichso beeindruckt war.

Einen tag später bitte ich dann einen Mitarbeiter, er solle mal zwei Uhren kaufen, damit wir die afghanische Zeit und die deutsche Zeit im Büro präsent haben. Und natürlich, um damit ein wenig internationalität in unser kleines Office zu bringen, um es halt etwas cooler zu machen.
Bis auf wenige Ausnahmen, habe ich es zum Prinzip gemacht, dass die Mitarbeiter über die Einrichtung selbst bestimmen können. So soll auf ihrer Seite eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen stattfinden. Sie bestimmen was wir genau brauchen, wieviel Geld wir dafür ausgeben wollen und wie es aussehen soll. Diese Uhren will ich jetzt aber haben - wie gesagt, ein wenig Coolness!
Ganz lösen will ich mich von meinem Prinzip der Mitbestimmung aber auch nicht. Daher gehe ich nicht selbst los, sondern lasse Wahedullah entscheiden.
Und jetzt das hier...

Echt cool und weltläufig, oder?

Sunday, May 21, 2006

Panorama in grau/beige

Ein paar Panoramaansichten aus Kabul





Saturday, May 20, 2006

Deutsche Delegation

Auf der größten Messe Afghanistans, der „Investing in Afghanistan“ darf ich mit „meiner“ Firma natürlich nicht fehlen. Also Messestand gemietet, Broschüren und Poster gedruckt und meinen Jungs noch schnell eine Verkaufsschulung verpasst.

Waheedullah und Khalid in unserem Messestand

Auf der Messe sind wir Teil des „German Pavillon“, der vom BDI organisiert wird.

Zusätzlich zur Messe gibt es eine Kabul-Rundreise für die deutsche Delegation.

Mit 20 anderen deutschen (bzw. größtenteils deutsch/afghanischen) Geschäftsleuten besuche ich Firmen Regierungsstellen und die afghanische Handelskammer. Am ersten Abend gibt es einen Empfang in der deutschen Botschaft. Endlich mal wieder ein paar echte Bier hinter die Binde gießen, und das auch noch in Gesellschaft des Botschafters.

Besonders erwähnenswert an der ganzen Reiseaktion ist zum einen die Polizeieskorte, die unseren Bus mit lautem Sirenengeheul und Megaphonansagen durch den Stau gelotst hat, zum anderen die Firma Hoch-Pharma. Hoch-Pharma ist ein privatisiertes Unternehmen, das komplett auf die ehemalige Hoechst AG aufbaut, die hier in den 70ern eine komplette Fabrikation importiert hat. Die beiden deutsch/afghanischen Besitzer sind sehr stolz darauf, dass fast alles, was Hoechst seinerzeit ins Land geschafft hatte, so noch erhalten und in Benutzung ist. Auch das Gebäude ist ein Hoechst-Produkt, so wie die Firma es standardmäßig an allen Produktionsstandorten errichtet hat. Das ganze ist eine Art Zeitreise in die deutschen 70er Jahre. Vom orangen Telefon mit Wählscheibe über die furnierten Schreibtische bis zur Lochkarte (richtige Computer sind hier Fehlanzeige – also für mich auch kein Geschäft zu machen) alles original. Wer also vorhat, so was wie „Der große Bellheim“ in einer 70th Version zu drehen, hier ist er richtig. Natürlich ist auch die ganze Produktion stilecht, was aber auch Sinn macht, da die alten Maschinen leichter zu reparieren und weniger anfällig gegen Stromschwankungen sind.

Zum Abschluß noch eine letzte Anekdote der Rundreise: Beim sammeln im Hotel schnacke ich mit einem Vertreter von ARIAN Naturdärme (hö,hö), ein weiterer Deutsch/Afghane und stelle fest, dass er aus Braunschweig kommt. Ich befrage ihn nach der afghanischen Community in BS und speziell danach, ob meine Vermutung richtig sei, dass der Besitzer meines Lieblingscafes (Journal am Wollmarkt) Afghane sei. Darauf er: „Ja, dass ist der Herr da drüben!“ Kleine Welt!

Ach ja, die Messe war dann ganz ok, ein paar Neukunden sollten rausgesprungen sein. Mal sehen.

Besonders beeindruckend waren hier die kleinen Kinder, die durch irgendwelche Zaunlöcher auf das Gelände gelangt sind und nun, ständig verfolgt von den Wachmännern, versuchen, alles abzugreigfen was die Messestände hergeben. Gut, dass der BDI uns mit Coladosen versorgt, so können wir immer ordentlich verteilen. Zusätzlich habe ich mal meine Gummibärchen-Vorräte mitgebracht, die reißenden Absatz finden.

Mission: Firmengründung

Der ein oder andere wird es bemerkt haben, meine Berichterstattungsfrequenz ist deutlich zurückgegangen. Grund dafür ist, dass mich mein Job hier inzwischen stark in Anspruch nimmt und fordert.

Innerhalb von drei Wochen habe ich 5 Afghanen eingestellt, ein Büro eingerichtet und angefangen die Jungs, hauptsächlich Studenten, auszubilden.

Meine Hauptziele sind dabei:

1.) ein Team aus ihnen zu formen, das auch wenn ich hier nicht mehr den Chef spiele, noch effektiv arbeiten kann

2.) die Firmenphilosophie in ihrem handeln zu verankern

und

3.) eine Marketingstrategie zu entwickeln, die zu diesem Land passt.

Zunächst mal scheint das alles noch schwieriger, als man sowieso schon meinen sollte.

Ein Informatiker, der schon bei Word an seine Grenzen stößt.

Ein absolut westlich ausgerichteter Afghane, der aber ausgerechnet in Sachen Zeit und Ausdauer afghanischer als jeder Afghane ist.

Ein BWLer, der nach einem zweimonatigen Praktikum bei der Commerzbank meint, das wir unser kleines 6-Mann Unternehmen unbedingt an dieser tollen Bank ausrichten müssen (ich hasse die Commerzbank... allein der Name ist doch schon scheiße).

Ich könnte diese Liste der Demotivation noch weiter ausführen und will auch nicht verheimlichen, dass die erste Woche echt die Hölle war.

ABER, ziemlich schnell sind inzwischen die ersten Erfolge zu sehen. Ich habe den Jungs erklärt, dass ich in den nächsten drei Monaten weniger Chef, sondern vielmehr Trainer und Coach für sie sein werde und dass es an ihnen liegt, sich hier einen perfekten Arbeitsplatz zu schaffen. Ich versuche den Rahmen für Entscheidungen also möglichst weit zu stecken und mehr zu beraten, als Anweisungen zu geben.

In Sachen Büro hat das zumindest schon mal geklappt. Ich habe ein Budget vorgegeben und lediglich in Sachen Bürotisch selbst eine Entscheidung getroffen. Bei allen anderen Dingen, vom Computer bis zur Büroklammer, haben meine Jungs Preise eingeholt, verglichen und gefeilscht, bis wir aus der vorgegebenen Summe eine perfekte Büroausstattung zusammen hatten. Nebenbei haben sich dann auch die Talente der einzelnen gut abgezeichnet.

Jetzt habe ich einen Verantwortlichen für die Finanzen, der seinen Job absolut super macht, und einen für Verträge, Listen und Formulare. Meine beiden „Lieblingsjobs“ also schon mal elegant wegdelegiert.

Zumindest einer meiner Informatiker hat wirklich was auf dem Kasten. Dem anderen habe ich erst mal die Rolle des Kundenbetreuers zugewiesen, da er zumindest gut labern kann und beim dritten bin ich noch gespannt, was er wohl gut kann. Er ist zumindest einer der wenigen Afghanen, der ein wenig Ahnung vom Programmieren hat.

Apropos Kunden, die ersten 4 sind schon gewonnen!

Picknick in den Bergen

Kabul ist laut, dreckig und staubig. Da nutzt man gerne jede Gelegenheit um aus der Stadt herauszukommen. Das geht nicht nur den Ausländern so, sondern auch den Einheimischen.

Sultan Karimi, der Chef der Mediothek, hat mich für diesen Freitag eingeladen, mit in sein Landhaus in den Hügeln vor Kabul zu kommen, zu einem Picknick mit Freunden, darunter viele Deutsche.

Als wir mit den Geländewagen den unwegsamen Pfad, vorbei an Nomaden und ihren Schafherden, bezwungen haben, bin ich beeindruckt von dem Bauwerk, dass Sultan hier in der Einöde errichten lassen hat. An einen der Hügel schmiegt sich eine kleine Burg, mit zwei Türmen und einem großen Innenhof. Mit ihrer Mischung aus klassischen afghanischen und irgendwie deutsch wirkenden Elementen, fühlt man sich fast ein wenig an den Rhein versetzt.

Das Picknick findet aber vor der „Burg“ statt und auch hier hat Sultan wert auf die Optik gelegt. Ein großer Baldachin aus Samtstoff, darunter dicke Teppiche und jede Menge Kissen laden die Gäste zum typisch orientalischen Hinfläzen ein. Es gibt jede Menge Essen und die Anwesenden Europäer tauschen sich rege aus. Unter anderem treffe ich Heinz, den deutschen Nationaltrainer der afghanischen Nationalmannschaft. Er arbeitet für den DFB und hat neben dem Trainerjob noch den Auftrag ein Ligasystem in Afghanistan zu etablieren. Nach diesen Infos war ich ja schon lange auf der Suche. Die Möglichkeit ein Spiel im Kabuler Nationalstadion zu sehen, rückt ein Stück näher. Werde Heinz demnächst mal anrufen.

Vollgefuttert und braungebrannt geht es am Nachmittag wieder zurück in die Staubmetropole.

Eine Woche später habe ich noch einmal die Gelegenheit, das schöne Domizil zu nutzen. Diesmal weniger pompös, dafür afghanischer mit Sultans Familie. Es wird zünftig mit Fingern gegessen (auch die Suppe... das können nur Afghanen) und ich habe ein bisschen Angst um meinen Magen, da es leider nur Leitungswasser zu trinken gibt, welches gut gekühlt mitgebracht wurde. Nervös macht mich dabei vor allem, dass es in dem Haus noch keine Toilette gibt. Aber mein Magen scheint sich schon gut akklimatisiert zu haben.

Am Nachmittag zeige ich den Jungs der Familie, die mich „Coco Khareji“ = „Onkel Ausländer“ nennen, wie die deutschen Fußballtugenden aussehen.

Sunday, May 14, 2006

Afghanische Hochzei

Ein befreundeter AIESECer (und inzwischen auch Arbeitnehmer bei mir) hat mich zur Hochzeit seines Bruders eingeladen. Warum? Ich glaube weil es chic ist, Internationals auf diesen wichtigsten Veranstaltungen des afghanischen Gesellschafslebens zu haben.
Eine Hochzeit ist in Afghanistan nicht einfach ein Freudenfest, sondern eine höchst komplizierte Angelegenheit. Das Fest muß möglichst groß und pompös sein, die Erstellung der Einladungsliste ist hohe Politikkunst (noch mehr als in Deutschland), da die Familienstrukturen weit verzweigt sind, und natürlich sollte die Veranstaltung möglichst in einer der vielen, speziell für Hochzeiten errichteten Wedding Halls, stattfinden. Diese erinnern ein wenig an Las Vegas, da sie bunt beleuchtet sind und mit jeder Menge Kitsch aufwarten (z.B. pinke Plastikpalmen an der Auffahrt). Kitsch ist auch so ein Thema mit dem man hier ein ganzes Buch füllen könnte, denn die vielen Rückkehrer (vor allem die aus Pakistan) sowie die starken Einflüsse Indiens haben zumindest in Kabul schwere Störungen in der ursprünglichen afghanischen Architektur angerichtet.
Aber zurück zur Hochzeit.
Mehr als 150 männliche Gäste befinden sich in der Halle, die ich betrete. In dem großen Raum hängen Kronleuchter, vor den Fenstern schwere Vorhänge. In der Mitte teilt eine 2 Meter hohe Stellwand den Raum in zwei Teile. Auf meiner Seite der Stellwand tanzen die Männer, dahinter feiern die Frauen, alles sauber getrennt.
Auf kleineren Hochzeiten - wenn nur Familienmitglieder anwesend sind- gibt es auch gemeinsame Feiern – in diesem Fall, mit externen Gästen, ist das so aber nicht möglich.
Die Band spielt einen bunten Mix aus afghanischer Folklore und moderneren Hits (Modern Talking ist auch dabei) und die Männer toben sich gleich zu Beginn der Feier beim Tanzen aus. Ein Kameramann ist unterwegs und filmt das Geschehen. Wie ich später von Kyle erfahre, werden die Bilder live auf der anderen Seite der Stellwand auf einem großen Bildschirm gezeigt. Auch die Frauen werden gefilmt und auf ihrer Seite werden die Tanzbilder auf einem geteilten Bildschirm zusammengeschnitten, so dass der Eindruck entsteht, Frauen und Männer würden zusammen tanzen. Da die Frauen annehmen, auf der anderen Seite ebenso ein Bildschirm steht, auf dem sie zu sehen sind, geben sie sich unheimlich Mühe, möglichst verführerisch zu tanzen, um die Männer für sich zu begeistern.
Gibt aber leider keinen Bildschirm auf unserer Seite – Schade.

Dann kommt der wichtigste Teil des Abends: Das Essen.
Bevor das Essen allerdings auf die runden Tische mit teurer Tischdecke kommt, die in dem, bei allem Kitsch eigentlich recht stilvoll wirkenden Saal stehen, bedarf es einiger Vorbereitung. Rosa Planen werden auf den Tischen ausgebreitet! Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, ein schöner Stilbruch. Im Einklang dazu tragen die Kellner in Formation große Platten mit Speisen in den Raum und verteilen sie auf den Tischen. Sieht wiederum sehr gut aus. An die Formation schließen sich zwei weitere Kellner an, die in großen Plastikmülleimern Pepsicola in Dosen schleppen – Perfekt.

Das afghanische Essen ist echt lecker, da kann man nix sagen. Am liebsten mag ich Mantu, so eine Art Maultaschen mit leckerer Soße.

Nach dem Essen denke ich, dass die Feier jetzt wohl richtig losgehen wird, aber weit gefehlt.
Fast alles geht nachhause. Ich und meine Begleiter also auch.
Von Kyle erfahre ich allerdings am nächsten Tag, dass ein harter Kern doch noch bis tief in die Nacht gefeiert hat und zum Schluß, als nur noch Familienmitglieder (männlicherseits) anwesend waren, auch die Stellwand entfernt wurde.

Hier noch ein Bild der Hochzeitsgesellschaft. Das Schminken und die Bekleidung der Braut und ihrer „Brautjungfern“ ist ein riesiger Wirtschaftszweig hier im Land. Es gibt unzählige Läden, die sich diesem Thema gewidmet haben.