Sunday, May 14, 2006

Afghanische Hochzei

Ein befreundeter AIESECer (und inzwischen auch Arbeitnehmer bei mir) hat mich zur Hochzeit seines Bruders eingeladen. Warum? Ich glaube weil es chic ist, Internationals auf diesen wichtigsten Veranstaltungen des afghanischen Gesellschafslebens zu haben.
Eine Hochzeit ist in Afghanistan nicht einfach ein Freudenfest, sondern eine höchst komplizierte Angelegenheit. Das Fest muß möglichst groß und pompös sein, die Erstellung der Einladungsliste ist hohe Politikkunst (noch mehr als in Deutschland), da die Familienstrukturen weit verzweigt sind, und natürlich sollte die Veranstaltung möglichst in einer der vielen, speziell für Hochzeiten errichteten Wedding Halls, stattfinden. Diese erinnern ein wenig an Las Vegas, da sie bunt beleuchtet sind und mit jeder Menge Kitsch aufwarten (z.B. pinke Plastikpalmen an der Auffahrt). Kitsch ist auch so ein Thema mit dem man hier ein ganzes Buch füllen könnte, denn die vielen Rückkehrer (vor allem die aus Pakistan) sowie die starken Einflüsse Indiens haben zumindest in Kabul schwere Störungen in der ursprünglichen afghanischen Architektur angerichtet.
Aber zurück zur Hochzeit.
Mehr als 150 männliche Gäste befinden sich in der Halle, die ich betrete. In dem großen Raum hängen Kronleuchter, vor den Fenstern schwere Vorhänge. In der Mitte teilt eine 2 Meter hohe Stellwand den Raum in zwei Teile. Auf meiner Seite der Stellwand tanzen die Männer, dahinter feiern die Frauen, alles sauber getrennt.
Auf kleineren Hochzeiten - wenn nur Familienmitglieder anwesend sind- gibt es auch gemeinsame Feiern – in diesem Fall, mit externen Gästen, ist das so aber nicht möglich.
Die Band spielt einen bunten Mix aus afghanischer Folklore und moderneren Hits (Modern Talking ist auch dabei) und die Männer toben sich gleich zu Beginn der Feier beim Tanzen aus. Ein Kameramann ist unterwegs und filmt das Geschehen. Wie ich später von Kyle erfahre, werden die Bilder live auf der anderen Seite der Stellwand auf einem großen Bildschirm gezeigt. Auch die Frauen werden gefilmt und auf ihrer Seite werden die Tanzbilder auf einem geteilten Bildschirm zusammengeschnitten, so dass der Eindruck entsteht, Frauen und Männer würden zusammen tanzen. Da die Frauen annehmen, auf der anderen Seite ebenso ein Bildschirm steht, auf dem sie zu sehen sind, geben sie sich unheimlich Mühe, möglichst verführerisch zu tanzen, um die Männer für sich zu begeistern.
Gibt aber leider keinen Bildschirm auf unserer Seite – Schade.

Dann kommt der wichtigste Teil des Abends: Das Essen.
Bevor das Essen allerdings auf die runden Tische mit teurer Tischdecke kommt, die in dem, bei allem Kitsch eigentlich recht stilvoll wirkenden Saal stehen, bedarf es einiger Vorbereitung. Rosa Planen werden auf den Tischen ausgebreitet! Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, ein schöner Stilbruch. Im Einklang dazu tragen die Kellner in Formation große Platten mit Speisen in den Raum und verteilen sie auf den Tischen. Sieht wiederum sehr gut aus. An die Formation schließen sich zwei weitere Kellner an, die in großen Plastikmülleimern Pepsicola in Dosen schleppen – Perfekt.

Das afghanische Essen ist echt lecker, da kann man nix sagen. Am liebsten mag ich Mantu, so eine Art Maultaschen mit leckerer Soße.

Nach dem Essen denke ich, dass die Feier jetzt wohl richtig losgehen wird, aber weit gefehlt.
Fast alles geht nachhause. Ich und meine Begleiter also auch.
Von Kyle erfahre ich allerdings am nächsten Tag, dass ein harter Kern doch noch bis tief in die Nacht gefeiert hat und zum Schluß, als nur noch Familienmitglieder (männlicherseits) anwesend waren, auch die Stellwand entfernt wurde.

Hier noch ein Bild der Hochzeitsgesellschaft. Das Schminken und die Bekleidung der Braut und ihrer „Brautjungfern“ ist ein riesiger Wirtschaftszweig hier im Land. Es gibt unzählige Läden, die sich diesem Thema gewidmet haben.





0 Comments:

Post a Comment

<< Home