Friday, June 09, 2006

Der Tag danach

30.05.2006

Am Tag nach den Unruhen, nimmt das Leben beängstigend schnell wieder normale Formen an. Die Afghanen meinen, dass wäre ein einmaliger Vorfall gewesen, der ja nun auch nicht sooo... schlimm war. Politiker lassen verlauten, das Militär und die Polizei bewiesen hätten , dass sie mit einer solchen Situation umgehen können. In Paris hätte die dortige Polizei schließlich sehr viel größere Probleme, die randalierenden Jugendlichen zu kontrollieren.
Da kritischer Umgang mit Informationen hier noch nicht sehr verbreitet ist, vertreten auch viele Afghanen, die gestern noch auf den Sauhaufen Polizei geschimpft haben, jetzt diese Meinung .

Als ich am Vormittag in die Stadt fahre, sind die meisten Geschäfte geschlossen und an allen wichtigen Verkehrsknotenpunkten sind Soldaten und Polizei stationiert (oder sagen wir mal, sie lungern da rum). Man sieht noch weniger Europäer im Straßenbild, als das sonst schon der Fall ist. Ein Freund, der für eine NGO (NRO = Nichtregierungsorganisation) arbeitet, hatte mich am Morgen angerufen und gesagt, dass viele Organisationen Ausgehverbote für ihre Mitarbeiter erlassen haben.
Sich heute in der Stadt zu bewegen, ist schon komisch. Angestarrt wurde man als Europäer ja schon vorher die ganze Zeit. Man hat aber erstmal nicht unterstellt, dass das Geglotze feindselig sei.

Heute ist das anders. Statt die Leute anzulächeln, wie ich das bisher gemacht habe, starre ich einfach zurück. Ein Trotzgefühl, dass nicht unbedingt mit positiven Gefühlen für Kabul behaftet ist. Ich ertappe mich bei dem Gedanken: "Mir macht ihr keine Angst, ihr Wichser. Wenn ich durch eure Scheiß-Stadt gehen will, dann mache ich das auch!"
Der an mir vorbeifahrende Geländewagen, aus dem mir eine Gruppe Jugendlicher "Fuck you!" zurufen, verstärkt dieses Gefühl für den Moment eher. Wie klug eine solche Einstellung ist, sei mal dahingestellt. War wohl auch nur der direkte Einfluß der Situation und hat sich schnell wieder normalisiert.

Der Nachmittag ist dagegen sehr viel versöhnlicher. Viele Afghanen die ich bisher kennengelernt habe (darunter einige Kunden) melden sich bei mir, um sich für ihre Landsleute zu entschuldigen und zu fragen ob es mir gut geht.


Hier ein Bericht zu dem Vorfall aus der Braunschweiger Zeitung:

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