Nightlife in Kabul
16.03.2006
Am Abend meines ersten Tages war volles Programm angesagt. Zunächst wurde in der Mediothek, wo ich wie gesagt mit Kyle aus Australien ein Zimmer teile, ein Poetry-Evening veranstaltet. Ein bekannter Kabuler Dichter las aus seinem Buch, anschließend wurde über Poetry diskutiert und Anwesende hatten die Möglichkeit eigene Gedichte zu verlesen. Das alles war natürlich auf Paschtu, einer der beiden Sprachen Afghanistans. Die Dichtung handelte vor allem von Erkenntnissen, welche die einzelnen Personen über sich und ihr Land gewonnen haben – soweit habe ich mich informieren lassen. Dichtung spielt eine wichtige Rolle in der afghanischen Kultur.
Die ganze Veranstaltung spielte sich im Innenhof des Mediothek Gebäudes ab: Blühende Bäume (hier ist schon Frühling), Teppiche und Kissen auf dem Rasen, ein Feuer und immer der obligatorische Tee, der an alle Anwesenden verteilt wird.
Um 9 Uhr werden Kyle und ich von Michael abgeholt. Michael (USA) ist ebenfalls ein AIESEC Praktikant, der ein Praktikum bei Tolo-TV, dem größten afghanischen Privatfernsehsender absolviert. Den Angestellten von Tolo-TV steht ein Fahrdienst zur Verfügung, über den sie 24 Stunden am Tag per Anruf verfügen können. Wir sammeln noch zwei von Michaels Kollegen auf (einen weiteren Ami und einen Afghanen) und fahren zum Firmengelände des Mobilfunkanbieters Roshan (dessen Kunde ich inzwischen auch bin) an den Stadtrand Kabuls.
Bei der Einfahrt werden die Autos mit einem Spiegel nach Bomben abgesucht, sowie unsere Ausweise kontrolliert.
Das Innere das Geländes gleicht einer europäischen Ferienanlage mit Fitnessraum und Pool. Die Appartements, die Roshan seinen ausländischen Angestellten zur Verfügung stellt, sind ziemlich nobel (habe ich schon erzählt, wie ich untergebracht bin? Kommt noch!). Dort treffen wir noch auf ein paar weitere Praktikanten aus Kanada, Australien und den USA. Bei Wodka Lemon wird herumgescherzt, über die Nobelunterkunft hergezogen und beraten was man denn noch so machen könne mit dem Abend.
Michael holt eine Packung mit ziemlich bunten „Knusperkaugummis“ aus der Tasche und verkündet stolz, das er sich dieses Stück Heimat hat von seinen Eltern zuschicken lassen.
Alle sollen probieren! Als der Afghane ablehnt meint er: „Hey man! This is my culture!“ Worauf der Afghane einen großen Klumpen schwarzen Afghanen aus der Tasche zieht, mit den Worten „And this man, is my culture!” und einen Joint baut.
Als dritter Teil des Abends wartet das Samarkant auf uns. Eine Diskothek mitten in Kabul, die ich so nicht erwartet habe. Aber zunächst einmal gilt es dorthin zu kommen. Die Jungs von Tolo TV haben zwei Autos geordert, mit denen die knapp 8 Kilometer bewältigt werden sollten. Auf der Strecke warteten ganze 9 Polizeikontrollen auf uns, welche die nächtliche Ausgangssperre überwachen, die aber anscheinend nur für Einheimische gilt.
Das Samarkant ist voll von westlichen Ausländern und wohlhabenden Afghanen, die hier im krassen Gegensatz zur maroden, zerstörten Stadt ausgelassen feiern. Bezahlt wird nur mit Dollars, was ein Problem für mich ist, als ich ein Heinecken bestelle und zum bezahlen nur Euros und Afghani parat habe. Die Bedienung startet wilde Umrechenversuche, dann klingelt ihr Telefon. Als sie nach knapp 5 Minuten immer noch nicht zurück ist, fühle ich mich für das Bier verantwortlich und übernehme die Aufgabe es sachgemäß zu entsorgen.
Gegen drei Uhr bin ich wieder in meinem Zimmer in der Mediothek – ein langer erster Tag ist zu Ende.
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